Arbeitgebertag des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister (BAP)

Politik

Auf dem Arbeitgebertag des BAP – unser deutscher Schwesterverband – denkt Norbert Lammert, ehemaliger Vizepräsident des deutschen Bundestages, in seiner Keynote über die Verantwortung des Staates in einer sich immer schneller wandelnden Welt nach. Swissstaffing ist ebenfalls dabei. Unser Ökonom, Marius Osterfeld, schreibt und denkt mit.

Als ehemaliger deutscher Spitzenpolitiker fasziniert Lammert. Er beginnt mit dem, was er Jahre lang trainiert und gelernt hat. Spitzen auf den politischen Gegner. Mit Blick auf die deutsche FDP hält er den Tipp bereit, freiwillig das politische Spielfeld zu verlassen, um höchstmögliche Beliebtheit zu erlangen. Eine erste Konstante, so scheint mir, ist damit gefunden: Vergangenheit und Zukunft versprechen politische Unterhaltung für sachkundige Bürger.

Nach Herrn Dr. Lammert muss ein verantwortlich handelnder Staat erkennen, dass eine Gesellschaft nur stabil bleiben kann, wenn sie sich ändert. Wir müssen uns demnach nicht fragen, ob sondern wie wir uns als Staaten verändern. In welche Richtung wollen wir gehen und in welcher Geschwindigkeit? Eine Realität, der sich auch unsere Branche gegenüber sieht, finde ich. Wir sind eine schnelle Branche, eine dynamische Branche. Doch schnell genug für die Digitalisierung?

Auch die Einführung der heute europaweit selbstverständlichen Sozialversicherung schien bei Einführung eine vorübergehende Regelung zu sein. Das Renteneintrittsalter lag damals in Deutschland bei 71 Jahren. 1913 zum 25. Geburtstag der Sozialversicherung in Deutschland betrug der Anteil am BIP 3,1%, 1938 schon 6% und heute bei mehr als 30%. „Früher war nicht alles besser" ist ein Slogan der swissstaffing-Imagekampagne. Es scheint mir auf Deutschland wie die Schweiz zuzutreffen.

Die Zukunft der Arbeit ist das nächste Thema von Nobert Lammert. J.M. Keynes glaubte 1918, dass in 100 Jahren jeder nur noch 15 Stunden arbeitet und sich fragen muss, was er mit all seiner Freizeit tut. Auch Nobert Lammert wagt eine Prognose: Im Gegensatz zu vielen Wissenschaftlern und Gewerkschaftern könne er definitiv nicht sagen, wie es weitergehen wird – und deshalb die anwesenden Temporärunternehmer weder beglücken noch erzürnen.

Die Digitalisierung ist aus Sicht von Lammert die wichtigste Triebfeder des Wandels – und zwar nicht nur für Wirtschaft und Arbeitswelt, sondern auch für Gesellschaft und Demokratie. Wir reden und diskutieren schon heute anders als früher – mit wichtigen Folgen für den politischen Prozess. Für uns in der Schweiz ist dies wahrscheinlich noch zentraler als für Deutschland. Mit Referenden und Initiativen haben wir weit mehr Einfluss als unsere Nachbarn auf politische Entscheide und sind kontinuierlich in gesellschaftlicher Diskussion. Masseneinwanderung, Steuerreform, AHV – wie wären die Voten wohl früher ausgegangen? Hört das Ohr des Volkes vielleicht weniger auf die Wirtschaft, weil deren Stimme im Rauschen der Vielen weniger laut wahrgenommen wird?

Einen Tag nach dem Ausscheiden von Deutschland aus der Weltmeisterschaft erinnert Nobert Lammert an die Bedeutung der Nationalität. „Was bei uns passiert, entscheiden wir." ist immer noch vorherrschende Meinung und wird geglaubt. Doch dürfen und können wir das in einer globalisierten Welt noch erwarten? Aus Lammerts Sicht ist die Antwort Europa, aus Sicht der Schweiz vielleicht Neutralität und Anpassungsfähigkeit in einer Welt der Vielfalt und Geschwindigkeit, denke ich. Nach der Annahme der Kündigungsinitiative sollte wohl die Frage sein, wie erreicht man mehr Unabhängigkeit? Ohne Verträge oder durch dynamische, offene Vertragssysteme, die einer sich ändernden Welt Rechnung tragen. Lammerts provokanter Schluss in Zeit einer schwehlenden Asyldebatte in Deutschland: Gibt das Land seine Offenheit auf, hat es Anspruch auf die dämlichste Gesellschaft aller Zeiten. Ein Schelm, der gleiches für die Schweiz denken würde.

Wie eine Schweizer Uhr schliesst Norbert Lammert seine Rede; meine Nachdenklichkeit über wichtige Fragen unserer Zeit endet jedoch nicht.

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