Der GAVP ist ein Hauptgewinn

Den GAVP gibt es seit 2012. Was hat sich seit der Einführung verändert?

Im Januar 2012 war der offizielle Start des Gesamtarbeitsvertrags Personalverleih. Die Verhandlungen, bzw. das „Go" der Generalversammlung von swissstaffing für den GAV fanden hingegen viel früher statt. Ab Verhandlungsbeginn mit den Sozialpartnern fand in der Temporärbranche ein Wandel statt. Es gab beispielsweise keine gravierenden Oppositionen der Gewerkschaften mehr. Es wurde akzeptiert, dass wir Sozialpartner sind. Dementsprechend hatten wir die grössten Veränderungen bereits vor dem Inkrafttreten.

Und die Reaktionen...

Die kamen im Zusammenhang mit anderen Branchen, die zwar im Anhang des GAVP gelistet, aber vorher nicht informiert wurden. Es war wie ein Aufschrei von verschiedenen Seiten, mit der Frage: „Was läuft da eigentlich?". Die Lösung war ein Agreement mit der Unia, dass nur Firmen und Branchen gelistet wurden, die einverstanden waren. Auf politischer Ebene erhielten wir eine erhöhte Aufmerksamkeit. Man hat uns mehr gefragt, mehr berücksichtigt, und in der Branche allgemein sorgte es für Ordnung. Leider hatten wir im ersten GAV eine Regelung, dass die Bestimmungen des GAV erst ab einer gewissen Lohnsumme gültig sind. Das führte dazu, dass einige Firmen ihre Filialen splitteten, damit sie den GAV nicht berücksichtigen mussten. Diese Effekte konnten wir bei den Verhandlungen zum erneuerten GAVP 2016-2018 korrigieren. Heute ist der GAVP von den Kunden genauso akzeptiert, wie von den verschiedenen Mitgliedern der Branche.

Gab es bereits frühere Versuche für einen GAV?

Ja...eigentlich hatten wir es früher schon versucht. 2003 starteten wir einen ersten Anlauf für einen Gesamtarbeitsvertrag, brachen die Verhandlungen jedoch ab – ich war beispielsweise damals nicht restlos überzeugt. Doch dann hatten wir gesehen, was ohne ein Gesamtarbeitsvertrag passiert. Es kam eine Episode mit Begleitmassnamen zur Personenfreizügigkeit im Jahr 2005, wo man uns von der Politik gewisse Massnahmen einfach aufdiktierte. Da merkten wir, dass wir ohne GAV nicht als Sozialpartner anerkannt werden – man machte die Rechnung ohne uns, beschloss ohne uns.

Welche konkreten Vorteile brachte der GAV den Temporärarbeitenden?

Das waren erstens die Mindestlöhne für Temporärarbeitende. Die – okay – noch relativ tief waren. Aber immerhin waren sie nach Gelernt, Ungelernt und Angelernt festgelegt, sowie nach Hoch- und Tieflohngebieten unterteilt. Man hat damit auf der Mindestlohnebene eine einheitliche Basis geschaffen. Zweitens die ganzen Regelungen bezüglich der Pensionskasse, dass die Temporärmitarbeiter mit Familien mindestens von Anfang an abgesichert sind. Das gilt auch bezüglich Überzeitregelung, mit einer vorgeschriebenen Limite. Es ist zwar ein Hindernis, weil die Arbeitszeitregulierung der Flexibilität gegenübersteht. Aber man muss realistisch bleiben. Es ist nicht in Ordnung, wenn Leute 15 Stunden pro Tag arbeiten. Selbst wenn der Mitarbeiter sagt, ja ich mache das, damit er nachher 2 Tage frei hat. Irgendwo muss es Grenzen geben. Das sind wesentliche Elemente. Und: Zusätzlich die Weiterbildungsmöglichkeiten durch temptraining. Früher, vor dem eigenen GAV, zahlte man Weiterbildungsbeiträge an andere allgemeinverbindlich erklärte GAV von anderen Branchen. Die Programme haben nicht wirklich für unsere Temporärarbeitenden gepasst. Mit temptraining haben wir einen eigenen Fonds, mit sehr grosszügigen Regelungen.

Wo sehen Sie persönlich Vorteile im Gesamtarbeitsvertrag?

Das erste ist eindeutig die Position der Temporärbranche in der Schweizer Wirtschaft und Politik. Heute haben wir im Arbeitsmarkt eine ganz andere Bedeutung. Man betrachtete die Branche oft im schwarzweiss Bild. Seit wir den Gesamtarbeitsvertrag haben, werden wir ganz anders berücksichtigt und wahrgenommen.
Als Beispiel die Problematik der Sozialversicherungen für Grenzgänger aus Frankreich. Hier haben wir eine starke Unterstützung, unter anderem durch den Arbeitgeberverband erhalten. Dies nicht zuletzt dank unserer stärkeren Position in der Politik. Ohne unseren GAV hätte sich auch das Bundesamt für Versicherungen nicht in diesem Masse eingesetzt.

Oder, was vor allem jetzt wichtig ist – die Diskussion im Zusammenhang mit der Masseneinwanderungsinitiative (MEI). Wir sind noch nie so angehört worden. Haben uns noch nie so einbringen können, wie in dieser Situation. Die MEI wird unsere Branche beeinträchtigen. Aber ohne diese Position durch den GAV, hätten wir schon vermehrt Einschränkungen erfahren.

Zweitens gab es für uns natürlich auch Regulierungen durch den GAV. Aber man muss es positiv betrachten. Er hilft Firmen, die einen guten Job machen und die Mehrheit der Firmen sind faire Arbeitgeber. Und, gegen schwarze Schafe, die unfair agieren, kann man dank dem GAV etwas unternehmen. Der GAV Personalverleih sorgt insgesamt für einen klar geregelten und fairen Temporärmarkt für alle Beteiligten.
Ein dritter und wichtiger Punkt ist unser eigener Weiterbildungsfonds. Das ist wichtig auch im Hinblick auf die Digitalisierung. Man sieht ja, mit welchem Erfolg temptraining durch Temporärarbeitende genutzt wird. So erfolgreich, dass wir mit höheren Anspruchsbedingungen bremsen bzw. reagieren mussten. Ein weiterer Pluspunkt für die Branche!

Demnächst starten Verhandlungen für die Erneuerung des GAV 2019-2021. Sehen Sie Schwierigkeiten, Stolpersteine?

Gut, Stolpersteine hatten wir auch beim ersten Mal. Das liegt in der Natur der Sache. Denn beide Seiten – sowohl wir als Arbeitgeber, als auch die Gewerkschaften möchten Punkte korrigieren, die nicht gut funktionieren und die Gewerkschaften möchten nachhaltig immer wieder deutlich bessere Bedingungen für die Temporärmitarbeiter durchbringen. Das Ziel sollte eine Win-Win Situation sein, eine für beide Seiten akzeptable Lösung. Man muss sich von Beginn an auf einzelne Elemente beschränken. Sonst wird man nie fertig. Das ist der Hauptstolperstein am Anfang. Wir werden versuchen den GAV redaktionell und vom Konstrukt her zu revidieren, wie wir dies beim zweiten Mal schon versucht hatten. Der erste GAV war damals für uns alle totales Neuland, wir formulierten so, wie wir dachten, dass es stimmen könnte. Die Formulierungen haben sicher Verbesserungspotenzial.

Vom Inhalt her sind nur kleine Schritte machbar. Man muss sehen, die ganze Situation der Branche hat sich seit zwei Jahren deutlich verschlechtert. Unsere Branche kämpft am Markt mit immer tieferen Margen. Wir müssen nur schauen, was unsere Kunden heute bereit sind zu akzeptieren und zu zahlen. Deshalb sehe ich eine Fortsetzung dessen, was wir jetzt haben, mit Feintuning – was natürlich nicht den Vorstellungen der Gewerkschaften entsprechen wird... Aber so ist es nun mal.

Spielt die Digitalisierung in Zukunft eine Rolle? Dass der GAV irgendwann unnötig wird, weil Menschen durch Maschinen ersetzt werden?

Momentan geht es in die Richtung: Mehr Schutz für Mitarbeitende. Und es steht nicht zur Debatte zu sagen, es brauche keinen GAV mehr! Ich selber habe mich damals lange gewehrt in einen GAV einzutreten. Aber wenn es eine Branche gibt, wo man das Image verbessern konnte dank einem GAV, dann unsere.

Wir müssen uns nichts vormachen. Wenn es „heiss" wird zu politischen Verhandlungen und Themen, bezüglich Begleitmassnahmen oder ähnlichem, dann steht unsere Branche immer im Fokus. Und hier hilft uns der GAV Personalverleih. Er ist ein Hauptgewinn für die Temporärbranche. Er bietet für Temporärarbeitende Sicherheit dank einheitlicher Regeln und verbindlichen Standards für Lohn- und Arbeitsbedingungen. Gerade auch bei Diskussionen zur Digitalisierung.

Jetzt aussteigen aus einem Gesamtarbeitsvertrag oder ihn sogar für unnötig erklären, würde uns gefühlt deutlich zurückwerfen. Und Versuche, ohne GAV beispielsweise Regelungen am Arbeitsmarkt anzubringen, wären erfolglos. Also ich würde sagen im Gegenteil – mit dem Fortschreiten der Digitalisierung erfährt unser Gesamtarbeitsvertrag eine noch grössere Bedeutung und ist aus meiner Sicht sehr wertvoll!

 Interviewt von Annika Groth, Mitarbeiterin Kommunikation swissstaffing

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