Ein Präsident tritt ab

Es gibt verschiedene Handlungsanweisungen, die zu befolgen empfohlen werden. Die Sympathischste, vor allem vor einem zu schreibenden Blog ist «servir et partir». Die Wohlfeile, das in Erinnerung Rufen von Erreichtem. Die Unwillkommenste, das Empfehlen von Verhaltensnormen für den Nachfolger. Die Unverfänglichste, der Dank an die Wegbegleiter, das Team und eine Nachsichtserklärung gegenüber den (ehemaligen) Gegnern.

Dank meinem reduzierten Präsidenten-Pensum hatte ich seit der Generalversammlung 2017 Zeit am Morgen etwas länger im Bett zu liegen, mich mit Musse mit der Musse auseinanderzusetzen. Dabei bin ich auf folgenden Text gestossen. Lassen Sie mich darüber bloggen.

Über das Liegen im Bett.

„Wenn du am Morgen nicht aufstehen magst, so denke: Ich erwache, um als Mensch zu wirken. Warum sollte ich mit Unwillen das tun, wozu ich geschaffen und in die Welt geschickt bin? Bin ich geboren, um im warmen Bett liegen zu bleiben?"

Aber das ist angenehmer.

„Du bist also zum Vergnügen geboren, nicht zur Tätigkeit, zur Arbeit? Siehst du nicht, wie die Pflanzen, die Sperlinge, die Ameisen, die Spinnen, die Bienen, alle ihr Geschäft verrichten und nach ihrem Vermögen der Harmonie der Welt dienen? Und du weigerst dich, deine Pflicht als Mensch zu tun, eilst nicht zu deiner natürlichen Bestimmung?"

Aber man muss doch auch ausruhen?

„Freilich muss man das. Indes hat auch hierin die Natur eine bestimmte Grenze gesetzt, wie sie im Essen und Trinken eine solche gesetzt hat. Du aber überschreitest diese Schranke, du gehst über das Bedürfnis hinaus. Nicht so in den Äußerungen deiner Tätigkeit; hier bleibst du hinter dem Möglichen zurück. "

„Du liebst dich eben selbst nicht, sonst würdest du auch deine Natur und das, was sie will, lieben. Diejenigen, die ihr Handwerk lieben, arbeiten, vergessen Bad und Mahlzeit. Du aber achtest deine Natur weniger hoch als der Künstler sein Werk, der Tänzer seine Sprünge, der Geizhals sein Geld, der Karrierist seinen Ruhm? Auch diese versagen sich ihrer Leidenschaft zuliebe eher Nahrung und Schlaf, um sich noch weiter zu bringen in dem, was für sie so anziehend ist. Dir aber erscheint der gemeinnützige Dienst geringfügiger und der Anstrengung nicht so wert."

Geschrieben hat das Marc Aurel ca. 180 unserer Zeitrechnung. Eine tolle Motivation für einen, der sich vor der Pension befindet. Ich stehe wieder früher auf.

Eine fordernde Arbeitswelt

Das Thema Arbeitswelt fasziniert mich weiterhin. Wo werden uns die Künstliche Intelligenz und Robotik ersetzen? Wo wird sie den Takt angeben und unsere Produktivität dramatisch steigern? Wo uns entwickeln, fordern und weiterbringen? Wo wird sie uns beherrschen? Die Antworten werden wir in den nächsten Jahren oder gar Jahrzehnten herausfinden.
Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie die neuen Arbeitsformen, die Projektarbeit, die Patchwork-Karrieren, die Zeitarbeit, die flexiblen Arbeitsmärkte, die arbeitsbedingte Mobilität und die arbeitsbedingte Emigration und Immigration menschlich korrekt gestaltet werden.

Die neue Sozialpartnerschaft

Schlägt hier die Stunde einer neuen Sozialpartnerschaft? Einer Sozialpartnerschaft, die sich nicht defensiv auf das Halten von Besitzständen konzentriert, sondern auf Fairness gegenüber allen Beteiligten? Dass das nur gelingt, wenn wir über den Tellerrand der Tagesprobleme hinausschauen, bedarf vertiefter Auseinandersetzung und Mühe. Zu einer Sozialpartnerschaft gehört aber auch die Bereitschaft, das sozialpartnerschaftlich Erreichte zu akzeptieren. Die machiavellistische Lust gewisser Gewerkschaftsfunktionäre jeweils partnerschaftlich Erreichtes auf dem politischen Parkett wieder zur Disposition zu stellen, gefährdet diesen Weg.

Die Alternative, das Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, über Politik und den Regulator zu definieren, scheint nach den jahrzehntelangen Diskussionen um die Ausgestaltung der Sozialwerke nicht a priori zielführender. Damit ist auch die gerechte Alimentierung unserer Sozialwerke angesprochen, unter Berücksichtigung der Demografie und der Gesundheitskosten. Eine Fokussierung auf das Machbare sollte das Ziel sein.

Die Politik ist gefordert

Wie die Politik damit umgeht und umgehen wird, lässt uns anraten am Ball zu bleiben. Ihre Herausforderung ist es, in einer globalisierten Welt sicherzustellen, dass die «res publica» keinen Schaden erleidet und der Sozialvertrag nicht zu einem «leoninischen Vertrag» verkommt. Dafür braucht und verdient sie unsere Unterstützung. Der Vorteil des Einbezugs von Menschen im dritten Lebensabschnitt in die Diskussion ist sicher der, dass die «Alten» unabhängiger von Wählergruppierungen, Quoren und Profilierungszwängen ihren Beitrag leisten können. Letztlich lösen wir die Probleme in einer direkten Demokratie oft mühsam aber doch gemeinsam. Jeder an seinem Ort und unabhängig von seinem Alter.

Und so vermögen uns alle die Selbstbetrachtungen des letzten grossen Stoikers des Altertums auch nach 1800 Jahren noch aus dem Bett zu trommeln.

Das könnte Sie auch interessieren…