Die Pandemie als Beschleuniger der Digitalisierung aller Lebensbereiche und die Akzeptanz digitaler Zusammenarbeit

Die Pandemie hat die digitalen Defizite der Firmen und Bildungssysteme schonungslos aufgedeckt. Mit welchen Herausforderungen wurde Coople konfrontiert?

Zu Beginn der Pandemie, ebenso wie in der laufenden Erholungsphase, gab und gibt es grosse Verschiebungen von Stellenangeboten und Arbeitnehmenden zwischen den Branchen und Sektoren. In der Gastronomie und an den Flughäfen wurde zu Beginn beinahe kein Personal mehr gesucht, dafür hatten Supermärkte oder Logistikbetriebe extrem hohen Bedarf. 2021 sehen wir nun einen markanten Anstieg der Personal-nachfrage im Gesundheitssektor, getrieben unter anderem. durch die zahlreichen Test- und Impfzentren. Auch im Hospitality-Bereich nimmt das Stellenangebot seit der relativen Normalisierung in den Restaurants wieder stark zu. In den Büros oder am Flughafen erholt sich die Nachfrage langsamer, bei Retail und Logistik hat sie sich auf hohem Niveau stabilisiert.

Als digitale Plattform für Flexwork ist Coople für solche Veränderungen natürlich hervorragend aufgestellt und hat die passenden Tools sowie die flexiblen Arbeit-nehmenden, um grosse Verschiebungen zu ermöglichen. Innerhalb von 24 Stunden hunderte Mitarbeiter:innen von einem Sektor zum anderen zu transferieren oder einem grossen Discounter schweizweit 800 Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, wäre mit traditioneller Rekrutierung und festangestellten Mitarbeitenden schlicht nicht möglich. Das lässt sich nur mit einem automatisierten, technologiegetriebenen Plattformansatz bewerkstelligen. Dennoch waren das auch für uns neue Dimensionen an Volumen und Geschwindigkeit. So stiegen Mitte März 2020 die Buchungen für Mitarbeiter im Detail-handel und bei der Logistik plötzlich um knapp 250%, während unser traditionell starkes Geschäft in der Gastronomie und bei Events gleichzeitig fast auf 0 schrumpfte.

Die digitale Transformation wurde weltweit für die meisten Unternehmen durch COVID beschleunigt. Wie sollen nun die besten Lehren aus diesem schnellen Prozess gezogen werden?

Es geht darum, die gemachten Erfahrungen und die – zum Teil schmerzhaften – Anpassungen in die berühmte "neue Normalität" zu transferieren. Etwa den Umgang mit der gewachsenen Planungsunsicherheit, die sich stark auf unsere Kunden auswirkt. Wir sehen einen verstärkten Bedarf unserer Kunden, ihre Teams für die Zukunft generell flexibler aufzubauen, denn die Krise hat eindrücklich gezeigt, wie wichtig es ist, dass der Personalkörper «atmen» kann. Betriebe mit einer flexiblen Personalstruktur haben ihr Unternehmen quasi in den Winterschlaf versetzt. Andere, mit einem hohen Anteil an Festangestellten, hatten deutlich grössere Schwierigkeiten. Vielerorts waren Entlassungen trotz Kurzarbeit leider nicht zu vermeiden.

Sollen die Unternehmen und Organisationen aller Art auch nach der Pandemie einen digitalen Fokus behalten?

Ja, absolut. Die Zukunft ist digitaler und flexibler, davon bin ich felsenfest überzeugt. Coople hilft seinen Kunden, Personalrekrutierung, Personaleinsatz sowie die gesamte Personaladministration zeitgemäss aufzustellen. Dabei führt kein Weg daran vorbei, die Digitalisierung der Abläufe und die Flexibilisierung eines Teils des Personalkörpers von einer "Notlösung" zu einer dauerhaften, gut verankerten Routine zu machen. Damit wird die Administration verschlankt und die Unternehmen sind auf künftige Schwankungen besser vorbereitet.

Was sind die Pro und Kontra Argumente von Remote-Working nach der Pandemie? Wie sähe ein perfekter hybride Arbeitsmodell aus?

Zwei einleitende Bemerkungen: Das Thema Remote- oder Hybrid-Work betrifft natürlich nur einen Teil der Arbeitswelt und spielt z.B. in Industrie, Retail, Hospitality, Gesundheitswesen oder Tourismus eine untergeordnete Rolle. Und: die perfekte Lösung - wenn es sie gibt – wird sich von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden. Sie lässt sich nur im Kontext der jeweiligen Situation und Bedürfnisse finden.

Zu den Pro-Argumenten zählen dann die höhere Produktivität, mehr zeitliche Flexibilität und eine bessere Balance zwischen Arbeits- und Familienleben sowie weniger "tote" Zeit und sinkende Transportkosten ohne lange Arbeitswege. Und vielleicht sogar eine bessere Klimabilanz, dank weniger Pendlerverkehr. Auch bei der Planung, Einrichtung und dem Betrieb von Büros können neue, moderne Wege eingeschlagen werden. Beispielsweise können fest zugeteilte, persönliche Arbeitsplätze in Teilen aufgehoben werden, zugunsten von offeneren, flexibleren, kostengünstigeren Arbeitsräumen.

Dem gegenüber stehen Risiken wie fehlende soziale Interaktion und erschwerte Kommunikation. Damit verbunden sind ein Verlust an Kreativität, Motivationsprobleme und schliesslich steigende Herausforderungen an Organisation und Management, sowohl auf individueller Ebene als auch bei der Führung von Mitarbeitenden.

Perfekt werden hybride Arbeitsmodelle also nur sein, wenn sich die Unternehmen auf veränderte Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Mitarbeitenden einstellen können. Sie brauchen eine neue Art und Weise, Personalressourcen zu managen und Menschen zu führen und in die Unternehmenskultur einzubinden. Die Berührungspunkte mit und zwischen den Mitarbeitenden müssen angepasst und die Rolle des physischen Arbeitsplatzes muss neu definiert werden.


Der Mensch ist ein "Gesellschaftstier" und seine Kreativität entsteht auch durch direkten Austausch und über persönliche Interaktion. Das funktioniert über digitale Kanäle weniger gut, wie viele von uns am eigenen Leib erfahren haben. Isolation am Küchentisch, eine ungebremste Vermischung von Arbeit und Freizeit oder ein Mangel an direktem Feedback machen uns auf Dauer zu schaffen. Demgegenüber sind Faktoren wie die Zugehörigkeit zu einem Team, Kreativität, Diskussionskultur, Anerkennung und das persönliche Vorankommen enorm wichtig.

Kurz: Die perfekte hybride Arbeitsweilt wird es nicht geben, wenn es darin nicht auch "menscheln" kann.

Inwieweit wird sich der Digitalisierungstrend bei Coople fortsetzen?

Was Cooople selbst und unsere eigene Arbeitskultur angeht, waren wir uns als erfolgreiches Schweizer Scale-Up schon vor Covid-19 an eine dynamische, hohe Pace gewohnt. Die Entwicklungen während der Pandemie haben uns nun nochmals gezeigt, wie wichtig es ist, als Unternehmen agil und flexibel zu bleiben, die beschleunigte Digitalisierung und Flexibilisierung mitzugestalten und dabei den sozialen und gesundheitlichen Schutz der Arbeitnehmenden zu gewährleisten.

Viele Coopler – die auf unserer Plattform registrierten Arbeitnehmenden - haben durch die Umwälzungen im Markt die Möglichkeit bekommen, neue Berufe auszuprobieren. Wir erwarten, dass es hier stark von den persönlichen Präferenzen abhängt, in welche Richtung es weitergeht.


Durch die Digitalisierung hat sich über Plattformen gesteuerte Flexwork zudem von einer Notlösung zu einer etablierten, zeitgemässen Arbeitsform für Arbeitnehmende und Firmen entwickelt. Flexworker sind keine zweitklassigen Mitarbeiter, sondern sind sehr ambitioniert und nutzen flexible Arbeit, um sich Möglichkeiten für den beruflichen Aufstieg zu schaffen. Dies ist besonders für Quereinsteiger relevant, da die Reputation auf der Plattform mit der Zeit wichtiger wird, als das CV. Diesen Trend wollen wir stärken und weiterentwickeln.

Welche Aspekte digitaler Dienste werden Ihrer Meinung nach COVID überdauern? Und warum?

Der erwähnte «atmende» Personalbestand wird als zentrales Element des Personalmanagements bleiben und künftig noch volatiler werden - als Folge der Schwankungen und Krisen in den Märkten sowie sozialer oder technologischer Entwicklungen. Ich denke an die veränderten Bedürfnisse und Lebensentwürfe der Arbeitnehmenden oder die fortschreitende Digitalisierung. Die Personalplanung im traditionellen Sinn kann bei diesem Tempo kaum mithalten und das «Atmen» droht kurzatmig zu werden, wie Detlef Gürtler vom Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) schreibt.

Mit den Tools und Angeboten von Plattformen wie Coople sowie mit den Daten und Erfahrungen, die wir tagtäglich gewinnen, werden wir diese Entwicklung mitgestalten können. Die digitalen Lösungen für die Berechnung von Personalressourcen werden künftig präziser und die Tools für Personalsuche, On-Boarding und weitere Personalmanagementaufgaben werden schlanker, effizienter und einfacher.

Werden wir langfristig von dieser Schnell-Digitalisierung profitieren?

Absolut - wenn es uns gelingt, die richtigen Lehren zu ziehen und tragfähige Lösungen für die Zukunft zu schaffen. Sowohl bei der eingesetzten Technologie als auch beim Personalmanagement, den Arbeitsbedingungen in den Betrieben und beim gesetzlichen Rahmen.

Als neues Vorstandsmitglied von swissstaffing. Wie kann swissstaffing die Temporärbranche beim Digitalisieren unterstützen und einen echten digitalen Fortschritt erreichen?

Dem Verband kommt naturgemäss eine wichtige Rolle zu bei der Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern. Die gesetzlichen Grundlagen in der Schweiz sind bekanntlich noch nicht "auf der Höhe der Zeit", etwa was den Abschluss von Arbeitsverträgen oder die Stellung und den sozialen Schutz der Flexworker angeht. Hürden müssen einerseits abgebaut bzw. "flexibilisiert", der Wert flexibler Arbeitsmodelle sowie Plattform- oder Temporärarbeit muss andererseits erhöht und stärker anerkannt werden. Das ist nur mit der bewährten Zu-sammenarbeit von Gesetzgeber, Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretungen zu schaffen. Swissstaffing spielt dabei eine Schlüsselrolle.

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