Generation Z: erfolgreich oder verzweifelt?

Liebe Leserinnen und Leser, ich hoffe, dass Sie die Sommermonate geniessen konnten. Gerne teile ich mit Ihnen eine Erfahrung aus dem Frühsommer, die mich in den letzten Wochen sehr beschäftigt hat.

Ende Juni nahm ich am Flexwork-Event 2023 teil, der zukunftsweisenden Tagung des Verbandes der Schweizer Personaldienstleister swissstaffing. Die diesjährige Ausgabe zum Motto «Warum Flexwork boomt.» befasste sich mit Lösungen für die flexible Arbeitswelt von morgen. Keynote-Referentin war Yaël Meier: Gründerin, Unternehmerin, Bestseller-Autorin. Erfolgreich, selbstbewusst, gutaussehend. Und Jahrgang 2000! Mit ihren 23 Jahren ist Yaël Meier eine prominente Vertreterin der Generation Z. Ihre Botschaft an Unternehmen und HR-Verantwortliche lautet: «Wenn man uns verstehen will, muss man versuchen die Welt durch unsere Brille zu betrachten». Wie das geht, erklärte sie mit Verweis auf ihre neue App Jobshot: Unternehmen bewerben sich bei der Generation Z mit kurzen Videos nach dem Vorbild von TikTok. Wenn man Jungunternehmern wie Yaël Meier zuhört, dann ergibt sich ein äusserst positives Bild dieser Generation:

  • Erfolgsorientiert
  • Selbstbestimmt
  • Digital affin
  • Politisch interessiert
  • Gesundheitsbewusst

Doch ist die Generation Z wirklich so einzigartig, dass sie sich ihre Arbeitgeber wie Tinderprofile aussuchen kann? Nicht ganz ...

Spulen wir ein Jahr zurück: Die Stiftung Pro Juventute schlägt Alarm – die Suizidberatungen beim Sorgentelefon 147 haben sich 2022 verdoppelt. Jugendpsychiatrien sind überfüllt, die Wartezeiten lange. Junge Erwachsene leiden unter der Multikrise: Klima, Krieg und Pandemie. Die Schreckensmeldungen landen minütlich ungefiltert auf ihren Smartphones. Und sie kommen nicht mehr vom anderen Ende der Welt. Viele Auswirkungen der Krisen erleben Jugendliche an der eigenen Haut. Daraus entstehen Sorgen um die eigene Zukunft, um die Entwicklungen in der Gesellschaft und um den Planeten.

Widersprechen solche Berichte dem Glanz, den Jungunternehmerinnen und Social-Media-Stars ausstrahlen? Nein, im Gegenteil. Sie zeigen sehr deutlich, dass es sich bei der Generation Z nicht um eine homogene Gruppe handelt. Oder wie ich auch schon formuliert habe: Die Generation Z gibt es gar nicht. Dies belegen auch Studien. So seien die Zoomers

  • die selbstbewussteste Generation – aber auch die sensibelste.
  • die autonomste Generation – aber auch die ängstlichste.

Umfragen zeichnen ein ähnlich ambivalentes Bild:

  • 50 % wünschen sich flexible Arbeitszeiten – 50 % feste Arbeitszeiten.
  • 78 % wollen Beruf und Privates trennen – 70 % können sich vorstellen, auch im Urlaub erreichbar zu sein.

Wir sollten also aufhören, die Generation Z als erfolgreiche und ambitionierte Generation zu hypen, die sich von verzweifelten HR-Experten und Personalmagerinnen umwerben lässt. Nicht, weil die Jugendlichen und jungen Erwachsenen überschätzt werden – sondern, weil mit diesem verklärenden Bild niemandem geholfen ist (ausser den Speakerinnen, Autoren und Unternehmerinnen, die daraus ein Businessmodell gemacht haben).

Legen wir den Fokus wieder stärker auf das Individuum.

Erfolgreiche Unternehmer mitte Zwanzig haben eine grosse Ausstrahlung und viel mediale Aufmerksamkeit – aber sie sind die absolute Ausnahme in der Generation. Die meisten sind Primarschüler, die sich zwischen Sek und Gymi entscheiden müssen. Oberstufenschülerinnen, die eine Lehrstelle suchen. Maturanden oder Berufseinsteigerinnen. Also junge Menschen, die ihren Weg erst noch finden und ihre Werte sowie Prinzipien definieren müssen. Doch dafür braucht es nicht noch mehr Apps, Trends und andere kurzlebige Lösungen – sondern echten Menschenkontakt. Als Unternehmensberaterin mit Herz und Personalmanagerin mit Interesse am Menschen teile ich gerne 3 Tipps mit Ihnen, wie wir Jugendliche und junge Erwachsene psychisch unterstützen können.

  • Zuhören statt Schubladisieren
    Junge Menschen finden im Internet jede Information, die sie suchen. Doch die meisten digitalen Angebote bieten weder persönliche noch nachhaltige Lösungen an. Wir sollten einen jungen Menschen weder als User noch als Vertreter einer hippen Generation sehen, sondern ihm als Persönlichkeit begegnen. Und ihm echte Aufmerksamkeit schenken. Für seine Gefühle, seine Wünsche und Bedürfnisse sowie seine Sorgen und Ängste. Algorithmen können keine Herzen berühren – Menschen schon.

«Meine Mitmenschen interessieren sich für mich.»

  • Lernen statt Belehren
    Dieser Blogpost soll keinen Kulturpessimismus verbreiten. Viele Ältere neigen dazu, neue Entwicklungen kritisch zu sehen und über die junge Generation die Nase zu rümpfen. Doch die sensiblen Jungen merken das. Sie nennen uns Boomer, wenn wir wieder herablassend auftreten, belehrend kommunizieren oder ihre Welt nicht verstehen (wollen). Ja, wir dürfen unsere Lebenserfahrung und unsere Krisenfestigkeit ins Spiel bringen. Aber wir dürfen uns vor der Transformation nicht verschliessen. Lassen Sie sich von jungen Menschen inspirieren und begeistern. Hören Sie zu, fragen Sie nach, bleiben Sie offen und interessiert. Damit tun Sie nicht nur sich selbst Gutes, sondern Sie zeigen einem Menschen auch, dass er wertvoll ist und etwas zu bieten hat. Damit können Sie mehr auslösen als hundert Likes.

«Ich kann etwas bewirken in der Gesellschaft.»

  • Abschalten lassen statt Abschalten
    Als Eltern, Götti oder Götti, als Lehrmeister oder als Lehrer gehört es auch zu Ihren Aufgaben, Grenzen zu ziehen und sie zu kommunizieren. Vielleicht stellen Sie ab und zu den Router aus, ziehen ein Smartphone ein oder begrenzen die Onlinezeit eines jungen Menschen. Das ist wichtig. Vielversprechender als das Abschalten finde ich es, zum Abschalten zu inspirieren. Wir können das Leben und die Zukunft eines jungen Menschen nachhaltig prägen, wenn wir ihm frühzeitig aufzeigen, wie er Stress reduzieren, Auszeiten machen und sich regelmässig mit positiven und aufbauenden Inhalten auftanken kann.

«Ich bin dem Stress nicht hilflos ausgeliefert.»

In diesem Sinne: Ja zur nachhaltigen Transformation, nein zu kurzfristigen Hypes. Ja zur persönlichen Auseinandersetzung mit jungen Menschen, nein zu digitalen Pauschallösungen. Ja zu bewährten Werten, nein zu blindem Kulturpessimismus.

Herzlich (wortwörtlich!)
Ihre Susanne Kuntner

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