Es wird neue Arten von Teilzeitarbeit geben – Marius Osterfeld über eine digitalisierte Personaldienstleistung

Magali Tálos der Global Personal Partner AG hat den swissstaffing-Ökonomen Marius Osterfeld getroffen, um mit ihm über die Personaldienstleistung und ihre Veränderungen zu sprechen. Dabei ist eines besonders herausgestochen: Die Personalvermittlung wird nicht aussterben, sie wird sich ausdehnen und spezialisieren.

Herr Osterfeld, Sie haben sich ja im Vorfeld schon mit unserem Regionaldirektor Philipp Zeller über die Zukunft des Personalwesens ausgetauscht. Sehen Sie in der Digitalisierung generell eher eine Chance oder einen Nachteil für die Personaldienstleistungsbranche?

Das ist nicht simpel zu beantworten. Generell kann man sagen, dass die Digitalisierung dem Temporärmarkt die Chance gibt, noch bunter zu werden, als er es ohnehin schon ist. Durch die Digitalisierung kommen neue Konkurrenten auf den Markt und neue Arten von Arbeitsmodellen entstehen. Gig Economy-Plattformen wie Uber oder Freelancer-Plattformen stellen neue Formen von Personaldienstleistung zur Verfügung. Beides sind Produkte, welche durch die Digitalisierung entstanden sind und einige praktische Vorteile mit sich bringen. Doch die Frage bleibt, ob diese Anbieter sich ausreichend um den Schutz ihrer Mitarbeitenden kümmern. Bestehende Gesetze werden in der Online-Welt oft nicht durchgesetzt und viele digitale Anbieter bewegen sich in Grauzonen.

In der konventionellen Personaldienstleistung, wie sie unsere Mitglieder anbieten, ist hingegen klar, dass eine Absicherung nach Schweizer Recht und Gesetz besteht. Das gilt auch für ihre digitalen Angebote. Leider hindert die aktuelle gesetzliche Lage in der Schweiz unsere Mitglieder momentan, die Digitalisierung noch proaktiver in die Hand zu nehmen. Temporärarbeitsverträge erfordern eine handschriftliche Unterschrift. Das bedeutet, dass jeder Vertrag zumindest einmal physisch beim Arbeitnehmer ankommen und unterschrieben werden muss. Dadurch wird der digitale, papierlose Prozess unterbrochen. Dies wirkt sich negativ auf potentielle Startups aus, weil Kunden und Kandidaten diese Plattformen so unbürokratisch und papierlos wie möglich erleben möchten. Das Schriftformerfordernis baut somit hohe Hürden auf, welche die neuen Plattformen näher an die konventionellen heranrücken. Es ist zu hoffen, dass solche Gesetze in der Zukunft geändert und stärker auf den digitalisierten Markt angepasst werden. Nationalrätin Daniela Schneeberger hat kürzlich eine entsprechende Interpellation eingereicht. Sollte in Zukunft eine Anpassung gelingen, wird es vermutlich mehr elektronische Arbeitsverhältnisse geben, denen die Arbeitsform der Temporärarbeit zugrunde liegt. Ob die neuen Modelle eher Konkurrenz oder Ergänzung sein werden, wird sich zeigen.

Wie wird der Markt der Personalberatung in fünf Jahren aussehen?

Die Branche wird sich weiter auffächern. Auf der einen Seite wird es schlanke Plattform-Lösungen geben und auf der anderen Seite Premium-Anbieter, bei denen die Einsatzbetriebe so viele Aufgaben wie möglich auslagern und das interne HR klein halten. Es ist anzunehmen, dass die Kunden im Premium-Segment eine aufwendige und persönliche Beratung erwarten. Auf der anderen Seite wird es auch Unternehmen geben, die genau das Gegenteil wollen. Sie lagern so wenig wie möglich aus und suchen gezielt Unterstützung im Recruiting. Solche Unternehmen werden sich vorwiegend an digitale Plattformen wenden, bei denen die Zusammenarbeit nur mit einem Mausklick verbunden ist. Im Gegenzug sind die Kosten der Dienstleistung niedriger. Zwischen diesen beiden Extremen wird es wohl viele Zwischenlösungen geben. Es stellt sich die Frage, ob die neuen Märkte einem «The Winner takes it all»-Prinzip folgen oder ob mehrere Unternehmen sich den Markt teilen werden. Wir blicken gespannt in die Zukunft.

Mit Blick auf die Temporärarbeitenden geht die Entwicklung derzeit in Richtung von hochqualifiziertem Fachpersonal, zum Beispiel in Form von Projektarbeit. Dabei ist es wichtig, dass wir als Branche das geringqualifizierte Personal nicht vergessen. Gerade hier kann die Branche helfen, Arbeitsmarktintegration möglich zu machen und den grössten gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Als Verband ist es deshalb auch unsere Aufgabe, für optimale Integrationsbedingungen für Menschen zu sorgen, die – warum auch immer – ausserhalb des Arbeitsmarkts stehen.ucht es ein

Welche Trends sollte man als Personaldienstleister nicht verpassen, um nicht den Anschluss zu verlieren?

Unsere Branche befindet sich aktuell in einer Suchphase. Klare Trends zu identifizieren ist schwierig. Das Wichtigste ist es daher, den Markt aufmerksam zu beobachten und sich rasch an neue Entwicklungen anzupassen. Digitalisierung kann dabei auf nahezu unendlich vielen Ebenen stattfinden. Neben der Beobachtung ist deshalb auch wichtig zu entscheiden, in welchen Bereichen man vorangehen und Innovationen in den Markt einführen will. Es ist nicht möglich, auf jeder Hochzeit zu tanzen.

Digitalisierung ist aber nicht nur Aufwand und Kosten, sondern auch Mindset. Sie muss in den Köpfen der gesamten Belegschaft stattfinden. Dazu braucht es ein aktives Change-Management. Es reicht nicht, teure Technologien anzuschaffen. Viel wichtiger ist es, allen Mitarbeitern zu vermitteln, wieso digitales Denken und Handeln wichtig ist. Denn nur wenn alle an einem Strang ziehen, können digitale Implementationen ein Unternehmen weiterbringen.

Wie wandelt sich die Rolle des HR-Managers im Zuge der Digitalisierung?

Ich glaube, das Wort Manager in Ihrer Frage ist richtig gewählt. Er wird Personalberater im wahrsten Sinne des Wortes sein. Das heisst, der Personalberater von morgen muss in HR-Fragen einen Überblick über alle Belange von Mitarbeitern und Kunden haben. Dazu gehört auch die Nutzung aller zielführenden, digitalen Technologien, um diesen Belangen optimal gerecht zu werden. Im Zuge dessen wird es zu einer Symbiose zwischen HR-Manager und Technik kommen. Denn erst Technik macht vertiefte Analysen im HR-Bereich möglich. Zahlen und Statistiken können bei richtiger Interpretation HR-Entscheide massgeblich unterstützen. Koordinations- und Analysefähigkeiten werden für HR-Manager in Zukunft also immer wichtiger.

Der Personaldienstleistungsmarkt wird sich im Zuge der Digitalisierung erheblich verändern. Dem sollte man nicht pessimistisch entgegenstehen, sondern die Veränderung aktiv mitgestalten. Die neuen Dienstleistungen dürften eine wertvolle Ergänzung zu den bestehenden Geschäftsmodellen sein und neue Verdienstmöglichkeiten eröffnen. Swissstaffing als Verband versucht, seine Mitglieder auf diesem Weg zu begleiten und die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass eine positive Entwicklung möglich wird.

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