Arbeitswelt im Wandel: Die digitale Revolution und ihre Auswirkungen – Ein Gespräch mit Yves Schneuwly

In einer Zeit rasanten technologischen Fortschritts befindet sich die Arbeitswelt in einem bemerkenswerten Wandel. Die Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie wir über unsere Karrieren und Beschäftigungsmöglichkeiten denken und definiert sie neu.

Heute sprechen wir mit Yves Schneuwly über die tiefgreifenden Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt. Yves Schneuwly ist derzeit als Chief Commercial Officer bei Coople, Europas grösster Online-Plattform für digitalen Personalverleih, für das Wachstum und die kommerzielle Skalierung in sämtlichen Märkten verantwortlich. Er ist zudem Vorstandsmitglied von swissstaffing, dem Kompetenz- und Servicezentrum der Schweizer Personaldienstleister, und Vorstandsmitglied der Schweizer Jugendherbergen.

Wie hat die Digitalisierung unser Verständnis von Arbeit verändert?

Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt komplett revolutioniert. Es geht nicht mehr nur um traditionelle 9-to-5-Bürojobs. Dank der Macht der Technologie ist die Arbeit flexibler, zugänglicher und dynamischer als je zuvor. Wir können heute von überall und zu jeder Zeit arbeiten und das hat sowohl für Unternehmen als auch für Arbeitnehmende unendlich viele Möglichkeiten eröffnet. Dieser Wandel hat auch zur Entstehung der sogenannten «Gig-Economy» geführt. Diese ermöglicht es den Menschen, flexible, abwechslungsreiche und oft projektbezogene Arbeit zu verrichten und sich vom gewohnten Modell der langfristigen Beschäftigung mit festen Arbeitsverträgen zu lösen.

Das digitale Zeitalter hat nicht nur die physischen Aspekte der Arbeit umgestaltet, sondern auch die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, kommunizieren und unsere Karriere managen neu definiert. Datenanalyse, künstliche Intelligenz und moderne Technologien ermöglichen es Unternehmen, datengestützte Entscheidungen zu treffen, Arbeitsabläufe zu optimieren und Prozesse zu rationalisieren, was zu mehr Effizienz und Innovation führt. Dieser digitale Ansatz revolutioniert nun auch die HR-Welt.

Das ist faszinierend! Können Sie einige Statistiken oder Beispiele nennen, die diesen Wandel veranschaulichen?

Natürlich! Die Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW hat im Jahr 2022 eine Studie zum Thema «flexible Arbeit» durchgeführt und festgestellt, dass 46% der Schweizerinnen und Schweizer auch nach der Pandemie weiterhin flexibel arbeiten. So ist es auch der Digitalisierung geschuldet, dass es immer einfacher wird, Arbeit unabhängig von einem festen Arbeitsort mittels mobiler Arbeitsgeräte rund um die Uhr zu verrichten.
Flexibilität geht heute weit über Homeoffice hinaus: Gerade bei Tätigkeiten, die weiterhin eine physische Präsenz erfordern (z.B. im Gesundheitswesen, in der Gastronomie, im Detailhandel oder in der Logistik) beobachten wir, dass die zeitliche Flexibilität (in Form von granularer Schicht- oder Pensenplanung) und der Wunsch nach Selbstbestimmung zunehmen.

Die internationale Arbeitsmarktstudie «Global Talent Study» von 2021 hat zudem gezeigt, dass in der Schweiz 84% der Arbeitnehmenden mindestens teilweise von flexiblen Arbeitszeiten profitieren möchten. Dies bestätigt auch eine Coople Umfrage vom März 2023. Laut der Befragung von über 300 Arbeitnehmenden aus dem Gesundheitswesen, wünschen sich 80% der Befragten mindestens teilweise flexibel zu arbeiten. Der Wunsch nach mehr Flexibilität und Selbstbestimmung ist also auch in dieser Branche ein wichtiges Bedürfnis.

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Welt der Personaldienstleistung aus?

Das ist eine gute Frage. Die Digitalisierung hat digitale Personaldienstleister hervorgebracht, die auf Augenhöhe mit ihren grossen traditionellen Konkurrenten spielen. Laut Staffing Industry Analysts SIA erreichte der weltweite Markt für digitale Personaldienstleistungsplattformen im Jahr 2022 ein beeindruckendes Volumen von 21 Milliarden US-Dollar. Das ist ein Anstieg von 58% im Vergleich zum Vorjahr. Diese Plattformen bieten Unternehmen und Arbeitsuchenden eine schnellere, effizientere und flexiblere Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu treten, und verbessern so die Effizienz, Qualität und Transparenz für alle Beteiligten.

Können Sie einige der wichtigsten Merkmale digitaler Personaldienstleister im Vergleich zu traditionellen Personalvermittlern hervorheben?

Digitale Personaldienstleister bieten mehrere Eigenschaften. Zunächst einmal sind sie extrem schnell. Sie können Arbeitssuchende und Arbeitgeber innerhalb von Minuten zusammenbringen und so sicherstellen, dass Unternehmen die benötigten Talente zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Auf dem heutigen, hart umkämpften Arbeitsmarkt ist Schnelligkeit von entscheidender Bedeutung.

Auf Seiten der Unternehmen ermöglicht dies eine genauere Personalplanung und damit eine Personalkostenplanung möglichst nahe an der Umsatz- bzw. Nachfragekurve. Das Zielbild ist, dass durch diese erhöhte Granularität und Flexibilität die vermeintlichen Mehrkosten zu einem Asset für mehr Effizienz werden.

Wie bereits aufgezeigt, legen Menschen im Zeitalter der Digitalisierung mehr denn je Wert auf Flexibilität. Digitale Personaldienstleister bieten Arbeitssuchenden die Freiheit, selbst zu entscheiden, wann und wo sie arbeiten möchten, und ermöglichen es ihnen, sich an ihren Präferenzen und ihrem Lebensstil zu orientieren. Sie erleichtern vielen Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt, der ihnen bisher verschlossen war. Man denke nur an Arbeitslose, die leichter eine Zwischenbeschäftigung finden oder nach einer Probezeit sogar fest angestellt werden können. Oder denken wir an Mütter, die sich um ihre Familie kümmern, aber gleichzeitig nach ihren eigenen Zeitplänen und Möglichkeiten arbeiten möchten und sich daher ein Höchstmass an Flexibilität wünschen.

Übrigens, was gleich bleibt: Personaldienstleister, die dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) Personalverleih unterstellt sind, sorgen zudem dafür, dass temporär Arbeitende mindestens den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn erhalten und bei Unfall oder Krankheit versichert sind. Auch für das Alter ist gesorgt. Ein besonderer Vorteil ist, dass Temporärarbeitende von subventionierten Weiterbildungen profitieren können und sich so für den Arbeitsmarkt attraktiv machen.

Flexibilität ist sicherlich ein wichtiger Trend. Können Sie etwas zu den Auswirkungen auf die Qualität der Talente sagen?

Coople beispielsweise bietet einen grossen Pool von über 600'000 registrierten Arbeitnehmenden in der Schweiz. Wir verwenden objektive Bewertungssysteme, die auf früheren Anstellungen basieren und Unternehmen einen Einblick in die Leistungen eines Kandidaten geben. Dieser datengestützte Ansatz stellt sicher, dass Unternehmen die besten Talente für ihre Bedürfnisse erhalten, was zu höherer Produktivität und Arbeitszufriedenheit führt. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund des höheren Masses an Selbstbestimmung motivierter an ihre Einsätze herangehen.

Das ist ein grosser Vorteil für Unternehmen. Aber wie sieht es mit Kosteneinsparungen aus? Sind digitale Personaldienstleister kosteneffektiv?

Ich referenziere hier auch auf Coople. Wir bieten beispielsweise Klarheit über Ausgaben und Kosteneinsparungen. Einsatzbetriebe können ihre Ausgaben in Echtzeit einsehen, wissen, wie viel sie pro Arbeitsstunde bezahlen und diese Parameter bei Bedarf anpassen. Diese Transparenz und Kostenkontrolle ist für Unternehmen von unschätzbarem Wert, insbesondere in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Das digitale Modell begünstigt Skaleneffekte, die sich beispielsweise in der Möglichkeit einer adäquateren Schichtplanung niederschlagen. So können Unternehmen ihren Personalbestand an saisonale Schwankungen anpassen, was zu einer deutlichen Effizienzsteigerung führt und den Kostenblock Personal in einen Gewinnbringer verwandelt.

Geht das Persönliche bei all der modernen Technologie nicht etwas verloren?

Ob digital oder traditionell, das Ziel bleibt dasselbe: Die passendsten Arbeitskräfte an ein Unternehmen zu verleihen oder zu vermitteln. Digitale Personaldienstleister nutzen Technologie, um Prozesse zu rationalisieren, aber sie wissen auch, wie wichtig der persönliche Kontakt ist, insbesondere bei Positionen, die ein hohes Mass an Fachwissen oder Erfahrung erfordern. Daten und Prozesse lassen sich digitalisieren und skalieren. Menschen hingegen nicht.

Fazit

Sowohl Personalbeschaffungsplattformen als auch herkömmliche Personalvermittlungsmodelle lösen dieselbe Herausforderung – die Suche nach den besten Talenten für ein Unternehmen.

Während sich Unternehmen früher auf traditionelle Personalvermittlungsagenturen und persönliche Netzwerke verlassen haben, eröffnet das Aufkommen digitaler Technologien heute völlig neue Wege der Personalbeschaffung. Am Ende unseres Gesprächs mit Yves Schneuwly wird deutlich, dass die Digitalisierung der Arbeitswelt nicht nur ein Trend ist, sondern eine wegweisende, beständige Entwicklung der Zukunft. Die Verschmelzung von Technologie und Beschäftigung führt zu neuer Flexibilität, Geschwindigkeit und Effizienz in der Personalbeschaffung.

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