Quoten – ein Mittel für ein inklusives und nachhaltiges Wachstum?

Politik

Die Forderung nach Quoten hat politisch Hochkonjunktur. Sie scheinen die perfekte Reaktion auf Wutbürger zu sein, die mehr Teilhabe für Benachteiligte und Schwache in unserer Gesellschaft erreichen wollen. In der Romandie stammt die neuste Quotenidee von der Unia. Sie möchte die Temporärarbeit auf Baustellen beschränken. Als Begründung zeichnet die Gewerkschaft das Bild von Bauarbeitern, die unter prekären Arbeitsbedingungen leiden und mangels Anleitung durch festangestelltes Personal weder gut noch unfallfrei ihre Arbeit verrichten können. Eine Quote scheint geradezu geboten, um Inklusion und Sicherheit auf dem Bau wiederherzustellen.

Mit der Realität hat dieses Bild freilich nichts zu tun. Bauarbeitende sind gefragte, hochqualifizierte Fachkräfte. Ob als Festangestellte, Temporärarbeitende oder Freischaffende ist es Teil ihres Berufes, die Herausforderungen auf stets wechselnden, sich dynamisch entwickelnden Bauprojekten zu meistern. Kein Wunder werden sie für ihre Leistung gut entlohnt. Die Mindestlöhne auf dem Bau zählen zu den höchsten in der Schweiz und gelten selbstverständlich auch für Temporärarbeitende.

Der Bau ist ein Musterbeispiel für einen inklusiven Arbeitsmarkt. Dank der guten Geschäftslage ist der Arbeitskräftebedarf seit Jahren hoch und die Verbreitung flexibler Arbeitsformen hält die Eintrittsbarrieren gering. Häufige Wechsel der Stelle oder der Arbeitsform wirken nicht stigmatisierend, weil sie im typischen Lebenslauf nicht ungewöhnlich sind. Für die Bauarbeitenden bedeutet dies einerseits eine geringe Abhängigkeit von ihrem aktuellen Arbeitgeber. Der Markt ermöglicht es Ihnen zu den Bau- oder Temporärunternehmen mit dem höchsten Lohn und den besten Arbeitsbedingungen zu wechseln. Andererseits finden Arbeitnehmende mit schwieriger Berufsbiografie oder komplexem sozialen Hintergrund leicht zurück in die Erwerbstätigkeit – sei es als dritte, vierte oder fünfte Chance oder weil ihre persönliche Situation Phasen ohne Erwerbstätigkeit erfordert.

Das Beispiel Bau enthüllt drei Kernelemente eines funktionierenden, inklusiven Arbeitsmarkts: eine langfristig stabile Geschäftsentwicklung, die Nutzung flexibler Arbeitsformen mit geringen Eintrittsbarrieren und die gesellschaftliche Akzeptanz heterogener Karriereverläufe. Die beiden letztgenannten Elemente zeigen: Wer wahrhaft für einen inklusiven Arbeitsmarkt sorgen will, muss aus der Perspektive der Menschen denken, die ausserhalb stehen. Stigmatisierende Kampagnen gegen flexible Arbeitsformen sind Gift für die Erwerbschancen dieser Menschen und damit Gift für die Inklusion. Die aktuelle Debatte um die Temporärarbeit ist somit weit mehr als ein politisches Strohfeuer im Kampf um neue Wähler und Gewerkschaftsmitglieder. Sie birgt das Potenzial Erwerbschancen zu vernichten.

Quoten – ein Mittel für ein inklusives und nachhaltiges Wachstum?

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