Wer mehrere Jobs hat, ist schlechter gestellt als Arbeitnehmende, die für einen einzigen Arbeitgeber tätig sind – dieses Problem der beruflichen Vorsorge ist schon länger bekannt. Die Folge sind problematische Lücken im Netz der sozialen Sicherheit, die überdurchschnittlich viele Frauen betreffen und sich insbesondere im Tieflohnbereich negativ auswirken. Sie schlagen sich nicht nur in der Vorsorge fürs Alter nieder, sondern auch im Invaliditätsschutz im Erwerbsalter und in den Ansprüchen hinterbliebener Partner und Kinder.
Vor gut einem Jahr ist die letzte BVG-Reform in der Volksabstimmung gescheitert. Durch die Senkung von Eintrittsschwelle und Koordinationsabzug hätte sie eine gewisse Verbesserung für einige Mehrfachbeschäftigte gebracht, das Problem aber auch nicht an der Wurzel gepackt. Mein Ostschweizer Fraktionskollege im Nationalrat, Thomas Rechsteiner, hat deshalb schon vor der Volksabstimmung ein Postulat zum Thema Mehrfachbeschäftigte im BVG eingereicht. Und ich habe den Bundesrat nach der Volksabstimmung in einem weiteren Postulat gebeten, in diesem Zusammenhang auch das bewährte Modell von swissstaffing genauer anzuschauen. Nun hat der Bundesrat seinen Bericht zu diesen Vorstössen veröffentlicht.
Versicherung ab der ersten Arbeitsstunde als Trumpf des swissstaffing-Modells
Das Modell von swissstaffing ermöglicht, dass viele flexibel Arbeitende ab der ersten Einsatzstunde BVG-versichert und somit gegenüber dem BVG-Standard bessergestellt werden. Damit eine Person obligatorisch BVG-versichert ist, muss ihr Jahreslohn bei einem Arbeitgeber die sog. «Eintrittsschwelle» überschreiten. Viele Temporärarbeitende haben aber im Lauf des Jahres oder gleichzeitig mehrere Arbeitgeber, zudem ist die Dauer eines Einsatzes bei Arbeitsbeginn oft nicht absehbar. Es kann somit im Voraus nicht ermittelt werden, ob die Eintrittsschwelle erreicht wird.
Deshalb wird im swissstaffing-Modell die Eintrittsschwelle auf den Stundenlohn umgerechnet. Diese Schwelle liegt mit aktuell CHF 10.40 pro Stunde weit unter dem Mindestlohn im GAV Personalverleih. Ebenso wird der Koordinationsabzug bei Temporärarbeitskräften auf die Stunde berechnet. Das Modell von swissstaffing ermöglicht, dass viele flexibel Arbeitende ab der ersten Einsatzstunde BVG-versichert und somit gegenüber dem BVG-Standard bessergestellt werden.
Auf meinen Vorschlag im Postulat, zu prüfen, wie dieses bewährte Modell auf breiter Front ins BVG integriert werden könnte, um eine umfassendere und gerechtere Absicherung für flexibel Arbeitende zu gewährleisten, ist der Bundesrat in seinem Bericht zwar nicht eingetreten. Er weist auf die Mehrkosten einer starken Ausweitung des BVG-Obligatoriums hin, zudem argumentiert er, es entstehe eine Ungleichbehandlung gegenüber Teilzeitarbeitenden mit einem einzigen Arbeitgeber.
Aber die prominente Thematisierung des Modells im Bericht ruft in Erinnerung, dass diese Option der stundenweisen Umrechnung zur Verfügung steht und bei einer nächsten BVG-Reform vertieft werden sollte. Und bis dahin – nach dem Abstimmungsresultat vom September 2024 und aufgrund der Komplexität des Themas ist klar, dass bis zum allfälligen Inkrafttreten eines nächsten Reformversuchs viele Jahre ins Land ziehen werden – bietet das swissstaffing-Modell immerhin den Temporärarbeitenden einen überlegenen Schutz.